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Ausstellung „in memoriam EMIL GEORG MAUL“
vom 03.04.2011 bis 14.05.2011 |
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Einführung: Manfred Scherer, Bad Bergzabern
"Dinge erinnern besser als Lebewesen.
Die Fußmatte bewahrt den Abdruck der Füße,
Der Stuhl merkt sich die Anordnung der Knochen,
Der Sessel erinnert sich an den müden Rücken.
Der Tisch liest den Speisezettel von gestern.
Die Tischdecke auch den von vorgestern.
Dinge erinnern besser als Lebewesen.
Das Bett erinnert an den Körper und an dessen Abwesenheit.
Die Bettlaken bewahren die Träume auch nach der Wäsche.
Die Vase erinnert sich an die Blumen, an ganze Blumensträuße.
Das Blatt erinnert sich an sein Fallen.
(Rudmila Lazi`c, 8. Mai 2010, Neue Zürcher Zeitung – Aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann)
Und ich füge diesen Worten von Radmila Lazic`hinzu:
Die ausgestellten Bilder von Emil G. Maul bewahren die Gedanken und Gefühle ihres Schöpfers.
Die angreifbaren Plastiken erinnern an die modellierenden Hände des bildenden Künstlers.
Mit einem Wort: In Memoriam Emil Georg Maul vollzieht sich im Betrachten und in der Auseinandersetzung mit der Kunst des verstorbenen Künstlers, der damit in seinen Kunstwerken weiterlebt und sich uns mitteilt.
Hinzu kommt der glückliche Umstand, dass Frau Maul eine Mappe ihres Mannes entdeckt hat mit der Aufschrift "Gedanken zur eigenen Arbeit". Die Mappe enthält – zumeist undatiert – auf losen Blättern handschriftliche Notizen Emil G. Mauls zur Kunst allgemein und seinem künstlerischen Schaffen im besonderen.
Es sind also nicht nur die Kunstobjekte – auch die handschriftlichen Notizen erinnern an den Künstler Emil Georg Maul.
Indem ich aus den Gedanken zur eigenen Arbeit" vortrage und dabei auf einige Exponate der heutigen Ausstellung verweise, will ich genau dieser Erinnerungsarbeit genüge tun.
In einer Notiz zur Ausstellung zu seinem 90. Geburtstag heißt es: "man versteht die Bilder besser, wenn man etwas den Lebensweg, die Ereignisse kennt…. Die Normalität wäre gewesen: Abitur, Studium, Lehrtätigkeit ggf. … zusätzlich Künstler. Die Wirklichkeit: ‚Abi/Studium/Krieg, kurze Berufstätigkeit Dinkelsbühl, Nachkriegszeit, Schock (Kunst) Hammelburg etc. Zufall Innenarchitektur, Künstler.
Den Lebensweg des Künstlers kennen.
Immer wenn ich vom Parkplatz Am Graben hier zur Galerie gehe, wandle ich sozusagen auf dem Lebensweg Emil Mauls: Von der Galluskirche, vorbei am Restaurant "Die Zwiwwel zum Atelierhaus.. Diese 100 Meter Kirchenstraße sind eine Art Mikrokosmos des Menschen und Künstlers Emil G. Maul. Die Galluskirche in Ladenburg wird zum Promotionsobjekt des Studenten Maul, die Raumgestaltung der "Zwiwwel" führt den verzweifelten Kriegsheimkehrer zur Innenarchitektur, bis sich Maul in den 60er Jahren bedingungslos wieder der Malerei zuwendet und 1984 mit dem Atelierhaus in der Kirchenstr. 18 die eigene Galerie eröffnet.
Der Schock der Nachkriegszeit, von dem Maul in seinen Notizen berichtet, wird auch in den zwei Nachkriegsbildern (in der privaten Galerie/Nische) deutlich. In dem Motiv des in der Landschaft allein gelassenen Mannes in der Gouache "Einsamkeit" verdichtet sich jenes Gefühl der Verlorenheit und Einsamkeit des Malers und einer ganzen Draußen-vor-der-Tür-Generation. Und das Selbstbildnis von 1947 zeigt einen alten Mann. Alt ist man, wenn man sich mehr mit der Vergangenheit auseinandersetzt als das Heute und Morgen zu gestalten. In seinen "Gedanken zur eigenen Arbeit" notiert der Künstler:
"Noch 1950 wusste ich nicht, wer Cèzanne war … niemals etwas gehört vom Bauhaus (Klee, Kandinsky etc.), nie zuvor von Picasso, Matisse, Braque" … "Wenn ich vor oder während des Krieges auf Leute gestoßen wäre, die mich aus der Isolierung herausgeführt hätten, dann wäre alles anders geworden. Spätestens nach dem Kriege hätte es einer solchen Begegnung bedurft".
Aus diesen Sätzen spricht die ganze Nachkriegsdepression des desillusionierten jungen Mannes. Für den Maler Maul beginnt ein langwieriger Prozess der "Ent-Täuschung", also der Selbst-Klärung und Selbst-Findung. Wie quälend diese Entwicklung ist, wie sie von Selbstzweifel und Ungewissheit begleitet wird, spricht aus den folgenden Notizen des Künstlers:
"Es ist kaum glaublich, dass die Findung oder Erfindung neuer Formelemente so schwer ist, oder dass ich mir so schwer tue. Man möchte Wände durchbrechen, aber man sieht nichts dahinter. Ich bin an dem Punkt, …. Wo es ausweglos erscheint, nur der Glaube, dass man wieder Land findet, lässt einen hoffen. Ich könnte baden gehen, spazieren gehen, könnte lesen … was könnte ich alles. – Und dennoch bohre ich mich in eine Sache hinein, die mir vielleicht gar nichts bringt. Aber das ist das Sonderbare, dass es unausweichlich ist. Dass ich nicht anders kann, was steht am Ende? Wer weiß es. Ist es nur Narretei? Eine Einbildung? Oder ist mehr dahinter. Ich weiß es nicht".
Als Maul Anfang der 60er Jahre wieder malt, malt er vor allem Städte und Häuser – vielleicht eine evolutionäre Weiterentwicklung seiner Tätigkeit als Architekt, sozusagen auf dem Weg von der Zwiwwel" zur Galerie". Die kubistische Phase verschafft dem Künstler einen neuen, ungeahnten schöpferischen Freiraum und damit die Grundlage seiner wirklich "bildenden" Kunst.
Den Prozess vom Gegenständlichen zur Abstraktion kann man auch in der heutigen Ausstellung sehr anschaulich nachempfinden, nämlich in den Tourrettes-Bildern. Die Exponate stammen zwar meist aus dem Jahre 1997, als Maul sich schon längst zu dem informellen Expressionisten entwickelt hat. Emil Maul hat aber u.a. auf Reisen immer wieder auch gegenständlich gemalt und skizziert. Und so ist in den Tourrettes-Bildern der Prozess vom Gegenstand zur Abstraktion, wie er für die gesamte Entwicklung des Künstlers vom Bedeutung ist, augenfällig nachvollziehbar, sowohl in den Aquarellen als auch in den Monotypien, bis hin zu den Öl-Mischtechniken, wo die Silhouette des Künstlerdorfes aus der Region Provence-Alpes-Cote d'Azur mit dem ehemaligen Schloss und seinem alten Wachturm sich völlig in Farbflächen auflöst und in dem Exponat "Erinnerungen an Tourrettes" von 1999 durch das Einarbeiten von Chinapapier und Sand gar plastisch wird.
Letzteres findet sich bei Mauls Arbeiten immer wieder, nicht zuletzt, um wie er einmal notiert hat, "menschliche Empfindungen auszulösen".
"Dabei bediene ich mich sowohl der malerischen, aber auch der plastischen Gestaltungsmöglichkeiten. Vielfach befinde ich mich in einem Zwischenbereich, da ich in meinen Bildern oftmals Materialien verschiedenster Art, wie Sand, Steine, Gewebefetzen oder Mineralien einsetze. Ich bezeichne diese als für mich wichtigen Arbeiten als Materialbilder".
Zwei dieser Materialbilder hängen hier im Hauptraum: "Frühlingserwachen" und "Herbstlich". In die kleineren quadratischen Bilder hat der Künstler Sackleinen und Glasmosaiken eingearbeitet, die aber – durch die unterschiedlichen Farbkompositionen – eine ganz eigene Wirkung auf den Betrachter haben und mit den Braun- und Rosttönen einmal das Herbstliche, ein andermal mit dem das gesamte Ensemble erhellende Blau den Frühling ankündigen.
Die beiden Materialbilder stehen übrigens in Korrespondenz mit den älteren Exponaten von 1968 "Morgen" und 1994 "Abenddämmerung" im Flur. Schon hier ist das Gegenständliche aufgelöst. Während in der "Morgendämmerung" das kühle Blau die Frische und Klarheit des Tages ankündigt, eines Tages voller Erwartungen, ist in der Abenddämmerung" die Nacht längst hereingebrochen und dabei, das letzte Licht der untergehenden Sonne zu verschlingen.
Mit der Abstraktion generiert der Künstler eine neue Wirklichkeit, die sich nicht mehr um den Vergleich zur Realität zu sorgen hat. Die neue Wirklichkeit hat ihre eigenen Regeln. Dazu Emil G. Maul in seinen Notizen:
"Aber was stellen alle diese Dinge, die ich tue, diese Bilder, diese Plastiken dar? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. – Die Bilddarstellungen, die ich meditativ erfahre und intuitiv niederschreibe, zeichne, male oder plastisch gestalte, sind wohl Teil meines Erlebnisses dieser Welt, in der ich bin. Aber ich unterwerfe sie den Gesetzen der Komposition, des farbigen Zusammenklanges. Und ich arbeite so langedaran, bis ein
Notwendiges Maß an Harmonie, an spannungsvoller Harmonie und Ordnung erreicht
Ist – hat der Mensch nicht einen angeborenen Sinn, ein Grundbedürfnis für Ordnung,
Rhythmik und Schönheit?"
Harmonie und Musikalität – das sind denn auch zwei entscheidende Größen in der Kunst Emil G. Mauls. Hier im Hauptraum zeugen sehr eindrucksvoll die beiden Exponate "Balance in Blau" von 1992 und "Dreiklang" von 1997, wo sich der linke Grundton mit eingearbeitetem Papier und Gewebefetzen plastisch raumgreifend zusammen mit der angelehnten zweiten Form und Terz, etwas heller, aber weniger plastisch das fast kontrapunktive Rot evoziert und als Quintton einen harmonischen Klang erzeugt, der unauf-
haltsam nach vorne schwebt und den Raum erfüllt. Es ist jener farbige Zusammenklang spannungsvoller Harmonie und Ordnung von dem Maul in seinen Notizen schreibt.
In dieser Ausstellung, meine Damen und Herren, werden Sie viele andere Exponate finden, die von der Maul'schen Suche nach Harmonie und einer ästhetischen Versöhnung von Ratio und Emotion zeugen.
Was mir bei dem Lesen der "Gedanken zur eigenen Arbeit" aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass Emil G. Maul kaum explizit auf seine Plastiken zu sprechen kommt oder sie zuweilen in Klammern im gleichen Atemzug mit seinen Bildern nennt. Dies bestätigt, dass für den Künstler Malerei und Plastik nur andere Ausdrucksformen der gleichen künstlerischen Intension sind. Gut zu sehen ist dies im vorderen linken Raum, wo die Plastiken aus den organischen und tachistischen Exponaten quasi abgeleitet zu sein scheinen. Die träumende Katze nimmt eine Sichelform aus dem Bild "cantabile" auf und wird in der Umkehrung zum in sich friedlich ruhenden Tier, das auch ein sanftes Streicheln des Betrachters nicht stören kann. Diese und die anderen Bronze-Plastiken zitieren – wenn auch zeitversetzt – in ihren rundenFormen die organischen Bilder. Die Objekte thematisieren dabei menschliche Verhaltensweisen und Zustände. Hierzu gibt es eine kleine Notiz des Künstlers:
Vielleicht sind es die Sehnsüchte, die mich bedrängen, die Sehnsüchte nach einer heilen Welt. Die Bedürfnisse nach Harmonie sind wohl oftmals Ausgangspunkt für meine Gestaltungen. – Die Titel wie "Vereint", "Zuneigung", "Sich verschmelzen" und Geborgen" verweisen wohl auf das, was mich bewegt.
Und im Blick auf die 80er Jahre, wo wieder strengere Formen in der Malerei - und später auch in den Plastiken – die Oberhand gewinnen, führt der Künstler aus:
"In letzter Zeit sind meine Arbeiten, vor allem auf dem malerischen Gebiet, wohl strenger, kantiger geworden. Das Grundthema jedoch wird auch hierbei deutlich: der Versuch, der Wunsch, der Glaube, das möglichst Vollkommene zu gestalten, ein Ziel, das in der Kunst unserer Zeit so fremd geworden ist".
Und, meine Damen und Herren, ich füge hinzu: ein Ziel, dem der Künstler Emil Georg Maul auf seinem Weg von der Sankt Galluskirche vorbei an der "Zwiwwel" hier in das Atelierhaus sehr nahe gekommen ist.
Ich danke Ihnen.
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Emil G. Maul arbeitet in den verschiedensten Techniken, wie Öl, Aquarell, Acryl, Gouache, Mischtechniken. Im plastischen Gestalten bevorzugt er den Bronzeguß.
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